Die Entstehung der legitimistischen Verbindungen

Den meisten Völkern der habsburgischen Doppelmonarchie war bis knapp vor dem Jahr 1918 der Gedanke einer Loslösung vom Reich fremd. Man kämpfte nicht gegen, sondern um die Macht im Staat. Dies änderte sich mit der Zerschlagung der Donaumonarchie.
Nach der Zerschlagung, die vor allem von Woodrow Wilson mit seinem 14-Punkte-Plan stark gefordert wurde, erhofften sich die nichtdeutschen Volker der Monarchie eine Selbstbestimmung und auch Lösung von Wien. Am 11. November 1918 verzichtete Kaiser Karl I. auf seinen Anteil an den Regierungsgeschäften und erklärte sich im Voraus mit der Entscheidung einverstanden, die das österreichische Volk über seine künftige Staatsform treffen werde. Am 12. November rief der deutsch-österreichische Nationalrat in Wien die Republik aus und verkündete zugleich den Anschluss Deutschösterreichs an die deutsche Republik. Mit dem Inkrafttreten des Staatsvertrages von Saint-Germain per 16. Juli 1920 wurde auch die Anschlusserklärung des deutschösterreichischen Nationalrates vom 12. November 1918 hinfällig – vorher war schon am 21. November 1919 der Name Deutschösterreich in 'Republik Österreich' umgewandelt worden. Dies bedeutete aber keineswegs die Einstellung sämtlicher Propaganda für einen Anschluss an das Deutsche Reich und lokale Anschlussabstimmungen endeten überall mit einer großen Mehrheit für diesen. Die Sozialdemokraten bekannten sich in ihrem 'Linzer Programm' zu dem 'mit friedlichen Mitteln erstrebten Anschluss an die Deutsche Republik'. Die beiden deutschnationalen Parteien, die großdeutsche Volkspartei und der Landbund, hatten ähnliche, eindeutig formulierte Satze in ihren Programmen, nur die Christlichsoziale Partei drückte sich in einem Beschluss vom 29. November 1926 vorsichtiger aus.
Nicht alle waren damit einverstanden, sondern es gab auch jene, die immer noch etwas für Gesamt-Österreich übrig hatten und den Anschluss an Deutschland dezidiert ablehnten, vor allem aber die Republik als illegal betrachteten, weil sich Kaiser Karl nur unter der Voraussetzung der Staatsgeschäfte begeben hatte, dass eine Volksabstimmung über das weitere Schicksal Österreichs entscheiden sollte. In der ersten Phase der Bewegung bildeten sich einzelne Zentren, die vorerst keinen Kontakt zueinander hatten und so keine geschlossene Front gegenüber der unerwartet und plötzlich hereinbrechenden Revolution bildeten. Im Dezember 1918 sammelte Oberst Gustav Wolff im Militärgagistenverband einen Kreis von Gleichgesinnten, unter denen sich Karl Baron Werkmann, der letzte Sekretär Kaiser Karls, und Hauptmann a. D. Erwin Drahowzal befanden. Beide tauchten später bei den legitimistischen Studentenverbindungen auf. Im Frühjahr 1920 bildete sich im Palais Berchtold ein Adelskreis um den Linienschiffskapitän i. R. Johannes Prinz von und zu Liechtenstein, aus dem das 'Wiener Casino' hervorging, das sich 1921 mit dem 'Bund der Österreicher' zum 'Reichsbund der Österreicher' vereinigte. Präsident des Vereines war nach Prinz Liechtenstein der Generaloberst d. R. Viktor Graf Dankl, der schon vorher durch ein Handschreiben der Kaiserwitwe Zita zum offiziellen Führer des Legitimismus ernannt worden war. Geschäftsführender Vizepräsident war Ernst Freiherr von der Wense. 1924 wurde Friedrich von Wiesner Vizepräsident des Reichsbundes und 1926 Baron Hans-Karl Zessner-Spitzenberg. Auch diese fünf Personen trugen Bänder von legitimistischen Verbindungen. Der Legitimismus war keine Massenbewegung, er hatte zwar Anhänger in allen sozialen Schichten, jedoch drei Gruppen spielten die Hauptrolle: Offiziere, Adel und katholische Akademiker. Allen war eine Welt zusammengebrochen, für die sie gelebt und gekämpft hatten; eine Welt, die ihnen Ordnung, Sicherheit und Brot gegeben hatte, die jetzt einfach nicht mehr bestand. Es waren für die Anhänger der Monarchie nebst ideellen auch materielle Momente bestimmend sich zu sammeln. Die materiellen Momente hatten damals Gewicht, denn das Ende des Ersten Weltkrieges hatte ein ausgeblutetes, verelendetes und in seinen wirtschaftlichen Kräften schwer getroffenes Land hinterlassen.
Auf der einen Seite nahmen die Kösener Corps, auf der anderen Seite die Studentenverbindungen des österreichischen Cartellverbandes nach dem 12. November 1918 mit wenigen Ausnahmen überraschenderweise den Standpunkt 'der gegebenen Tatsachen' ein. Dies obwohl vorher man sich voll und ganz zum Kaiserhaus und der monarchistischen Staatsform bekannte. Nicht alle Jungakademiker waren aber mit dem abrupten Gesinnungsumschwung einverstanden und so schlossen sie sich mit Kommilitonen ihrer Weltanschauung in einem Verband couleurstudentischer Prägung zusammen. Bereits am 20. Juni 1920 wurde eine legitimistisch orientierte 'Deutsch-christlich-akademische Verbindung Wasgonia' gegründet. Diese Verbindung vereinigte zunächst schlagende und nicht schlagende Studenten sowie auch Angehörige beider christlichen Konfessionen. Diese Verschiedenartigkeit innerhalb einer Corporation war immerwährender Anlass zu Meinungsverschiedenheiten, die zu Austritten und Abspaltungen führten. Am 1. April 1922 gründete Wasgonia als Tochterverbindung die 'Deutsch-akademisch-konservative Verbindung Wikinger', die von Beginn an Mensuren schlug. Dies traf auch auf eine weitere Tochterverbindung zu, die am 26. August 1922 gegründete 'Deutsch-Akademische Verbindung Ottonen'. Absolventen des Kalksburger Gymnasium gründeten am 2. September 1922 die 'Deutsch-katholisch-vaterländische Verbindung Karolinger'. Die Karolinger mussten schon am 24. April 1923 suspendieren, wurden aber zu einem späteren Zeitpunkt reaktiviert (vor 1929). 1932 trat eine Anzahl an Studenten aus und bildeten das 'Akademische Corps Karolinger'. Der katholische Teil der Wasgonia bemühte sich nun, eine katholisch-legitimistische Verbindung zu gründen. Wasgonia wandelte sich 1925 zum Corps um, die Ottonen 1926. Die Runde wurde 1921 erweitert. Von monarchistisch gesinnten ehemaligen Offizieren um Johannes Prinz von Liechtenstein wurde am 16. Oktober 1920 der akad. Verein 'Alt-Österreich' gegründet, der 1921 zu einem Corps (umgewandelt wurde. In Graz wurde 1921 die Danubia gegründet, die jedenfalls zeitweise auf dem legitimistischen Standpunkt stand. Im Frühling 1929 wurde das 'Corps Woelsungen' aus der Kath. Deutschen Burschenschaft Wiking heraus gegründet.
Mit einer Runde von Maturanten der Realschule Ottakring hob man am 15. November 1922 die 'vaterländisch-katholisch-deutsche akademische Verbindung Maximiliana' aus der Taufe. Am 22. März 1923 wurde als Sammelbecken für Hoch- und Mittelschüler die 'katholisch-vaterländische Studentenverbindung Habsburg-Lothringen' gegründet. Am 7. März nannte man sich in 'Katholisch österreichische Landsmannschaft' um. Um sich als reine Hochschulverbindung zu deklarieren, stiftete man als Tochterverbindung die 'Katholisch österreichische Landsmannschaft Tegetthoff' als Mittelschulverbindung. Aufgrund besonders guter Beziehungen zwischen Maximiliana und Habsburg-Lothringen fusionierte man am 9. Juni 1927 zur 'Katholisch-österreichischen Landsmannschaft Maximiliana'. Maximiliana eröffnete in den Folgejahren einige Tochterverbindungen: 1933 KÖL Starhemberg, 1934 KÖL Austria-Salzburg und 1936 KÖL Carolina.
Text: Phys

Dieser Text ist die Einleitung zu einem Artikel mit dem Titel 'Der Kurier des Kaisers' – Othmar Alfred von Slawik. Interessenten können den gesamten Beitrag von Bb Phys gerne unter blech-bote@aon.at anfordern.
Auszug aus den Literaturhinweisen:
  1. Platzer, Peter, Die Monarchie in Österreich, Seminararbeit an der jur. Fakultät der Universität Bern, 1977
  2. Plaschko, Karl / Wirth, Gottfried, Beiträge zur Geschichte des Bundes der kath.-österr. Landsmannschaften und seiner Korporation bis 1938, in: Beitrage zur österr. Studentengeschichte 4, Wien 1978,
  3. Krause, Peter, Studiosus Austriacus, Wien 2007
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zuletzt geändert: 03.06.2020 um 21.40 Uhr