Nummer 09/2020
Sperrstund‘ ist!

Unsere Gesellschaft steuert aufgrund der rasant ansteigenden Anzahl an Covid-19-Erkrankten auf den nächsten Lockdown zu. In der Verbindung sind wir – bedauerlicherweise – schon einen Schritt voraus.
Leider bin ich ein unverbesserlicher Optimist. Noch vor einem Monat habe ich gehofft, dass wir das traurige Kapitel 'Corona' endlich abhaken können und wir uns im Verbindungsleben, ebenso wie in unseren Medien, ab dem Herbst wieder anderen Themen zuwenden können. Doch die sprunghaft ansteigenden Fallzahlen lehren mich eines Besseren und deshalb möchte ich nachstehend meine persönlichen Gedanken zur aktuellen Situation mitteilen.
Weltweit sind die Politiker infolge der nicht enden wollenden Covid-19-Erkrankungen gefordert und wie es scheint großteils auch überfordert, was kein Wunder ist, da sie ja selbst üblicherweise keine Ärzte oder gar Virologen sind und sich daher auf die Beurteilung durch Fachleute verlassen müssen. Und die Experten sind – wie bei fast allen anderen Sachfragen – nicht immer einer Meinung. Ich möchte daher keinesfalls mit irgendeinem Regierungsmitglied tauschen, denn schließlich kann man es nie allen – und in der gegenwärtigen Lage sogar fast niemandem – recht machen.
Zwar hat das totalitäre Regime in China, wo das Übel seinen Ursprung genommen hatte, eindrucksvoll bewiesen, dass man die Krankheit mit restriktiven Maßnahmen relativ rasch in den Griff bekommen kann, aber das lässt sich Gott sei Dank im freien Westen eben nicht nachahmen. Mahnende Worte von verantwortlichen Politikern werden nicht nur von Wirtschaftstreibenden und Kulturschaffenden oft als unnötige Panikmache gedeutet und Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind scheinbar gerade bei uns in Österreich noch schwieriger durchzusetzen, als in anderen europäischen Ländern. Daher gelten die Vorschriften der COVID-19-Maßnahmenverordnung explizit nicht für Veranstaltungen im privaten Wohnbereich. Es wäre zwar dumm – aber nicht verboten – eine Kneipe mit z.B. mehr als 20 Teilnehmern ohne besondere Vorkehrungen in der Privatwohnung eines Bundesbruders zu schlagen, aber die gleiche Veranstaltung wäre auf einer beispielsweise doppelt so großen Bude (wenn überhaupt) nur unter Einhaltung besonderer Regeln zulässig, da andernfalls mit Sanktionen gerechnet werden muss.
Umgekehrt wird der Regierung schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen, wenn eine verfrühte Hoffnung auf Besserung kommuniziert wird oder infolge von Lockerungsverordnungen die Anzahl der Erkrankungen wieder stark ansteigt, weil ohne gesetzlichen Zwang der Hausverstand bei vielen Menschen nicht ausreicht, um Abstand zu anderen zu wahren und große Familienfeiern oder Partys wegen der Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Zusätzlich werden die Bemühungen der Politik den Bürgern die Gefahr der Krankheit durch Strafen bei Verstößen gegen die Vorsichtsmaßnahmen zu verdeutlichen, durch spitzfindige Juristen vereitelt, welche die Gesetze wegen geringfügigen Formalfehlern aushebeln und damit der Bevölkerung falsche Signale zur falschen Zeit vermitteln, wie ich schon im Artikel 'Sträflicher Leichtsinn' im letzten Caro-As dargelegt habe. Die dadurch verursachte Verunsicherung führt dazu, dass manche Menschen den Sinn des Maskentragens nicht verstehen (wollen). Der Umstand, dass das Abstandhalten als Frage des Anstandes zu einem Volksaufstand führt, ist nur mit fehlendem Verstand erklärbar. Ebenso die Tatsache, dass die Beamten der Exekutive wegen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Land dem munteren Treiben der Demonstranten tatenlos zusehen, anstelle die Verstöße zu ahnden, die Versammlung aufzulösen und zumindest die Rädelsführer zur Verantwortung zu ziehen.
Auch für unsere Chargenkabinette ist es nicht leicht den (blau-schwarz)-goldenen (Das gilt natürlich auch für schwarz-gold-blau!) Mittelweg zu finden. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns mehrheitlich entschlossen, die meisten geplanten Veranstaltungen abzusagen bzw. durch Budenabende zu ersetzen. Die Argumente dafür sind der gesundheitliche Schutz für unsere großteils älteren Bundesbrüder, der rechtliche Schutz für die Korporationen und ihre Chargen und die vorbildhafte Signalwirkung an andere, dass wir die Sache wirklich ernst nehmen. Ich verstehe diese Argumente und akzeptiere die Entscheidung des gemeinsamen ChC, obwohl ich selbst teilweise anderer Meinung bin.
Natürlich ist es auch mir ein Anliegen unsere älteren Bundesbrüder nicht zu gefährden, zumal ich selbst nicht mehr der Jüngste bin. Aber wenn ich mich im Alltag umschaue, habe ich den Eindruck, dass sich die rüstigen Senioren (im nicht-couleurstudentischem Sinn) nicht gerne zu Hause einsperren lassen und daher nicht nur bei Ärzten, in Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern sehr wohl auch in Lokalen und bei kulturellen Veranstaltungen aller Art zahlreich anzutreffen sind. Beim Besuch eines Konzertes im Musikverein am Nationalfeiertag hatte ich sogar das Gefühl, mit meiner Anwesenheit den Altersdurchschnitt zu senken. Dass dort, wie in fast allen Theatern – im Einklang mit den Regelungen der gültigen Schutzbestimmungen – nur seitlich ein Leerplatz zwischen unterschiedlichen Besuchergruppen vorgesehen ist und der Abstand zwischen den Besucherreihen deutlich geringer als ein Meter ist, hat bei meiner Frau und mir aber ein gewisses Unbehagen auslöst.
Warum sollen wir also auf unserer Bude päpstlicher sein als der Papst? Zur Erläuterung meiner Ansichten möchte ich die derzeit (noch) aktuellen Bestimmungen der Covid-Verordnung (Stand 29.10.2020) kurz zusammenfassen. Der für uns als Verbindung relevante Teil ist im § 10 geregelt, wonach bei Veranstaltungen ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze in geschlossenen Räumen nicht mehr als sechs (volljährige) Personen (und theoretisch ebenso viele Minderjährige) teilnehmen dürfen. Diese sehr restriktive Anzahl zielt primär auf private Veranstaltungen ab, bei denen sich die Gäste sorglos vermischen. Deshalb ist eine Geburtstagsfeier mit 10 erwachsenen Teilnehmern in einem Lokal untersagt, während am gleichen Ort z.B. vier unabhängige Feiern mit je 6 Gästen erlaubt wären. Gleichzeitig sollen damit natürlich auch andere zwanglose Versammlungen wie z.B. türkische Kulturvereine oder feucht-fröhliche Kneipgelage völlig zu Recht verhindert werden, indem kleine Veranstalter durch die Teilnehmerbeschränkung abgeschreckt werden.
Andererseits sieht die Verordnung für Indoor-Veranstaltungen mit ausschließlich zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen einer Höchstzahl bis zu 1.000 Personen vor, wobei erst ab 250 Personen eine Bewilligung erforderlich ist und erst ab 50 Personen ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten ist. Das bedeutet aber, dass auf der rund 100 m² großen Tegetthoffbude, wo locker 40 Sitzplätze mit dem erforderlichen Mindestabstand von einem Meter gegenüber anderen Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, möglich sind, alle Veranstaltungen zulässig (gewesen) wären, sofern fixe Sitzplätze zugewiesen werden und die Teilnehmer beim Verlassen des Platzes eine MNS-Maske tragen!
Sogar die Verabreichung von Speisen und Getränken an den gekennzeichneten Sitzplätzen wäre erlaubt, da es ein typischer Bestandteil unserer Veranstaltung ist Bier oder Wein zu trinken und eventuell auch etwas zu essen. Und weil dafür die Regeln des § 6 für das Gastgewerbe maßgeblich sind, würden im Sitzen auch keine Masken benötigt und sogar die bei uns übliche Selbstbedienung wäre zulässig, sofern die Konsumation erst am zugewiesenen Sitzplatz erfolgt. Da in der Praxis zumeist ohnedies weniger als 20 Personen anwesend sind, hätten wir – solange keine weiteren Einschränkungen angeordnet werden – problemlos unser gesamtes Programm (insbesondere die abgesagten Vorträge) absolvieren können, vorausgesetzt, dass die Bundesbrüder und Gäste die Bereitschaft und Disziplin mitbringen, sich an die Platzordnung zu halten und beim Aufstehen die Masken anzulegen! Und sollten nach Ende der offiziellen Veranstaltungen noch ein paar Bundes- und Kartellbrüder den Abend bis zur gesetzlichen Sperrstunde mit ein paar Bieren ausklingen lassen wollen, ohne auf den ursprünglich zugewiesenen Plätzen zu verweilen, wäre selbst das kein Problem, weil dann erfahrungsgemäß nur mehr weniger als die sechs ohne Sitzplatz erlaubten Teilnehmer anwesend wären.
Budenabende anstelle der geplanten Veranstaltungen abzuhalten, halte ich persönlich für eine sinnlose Alibi-Aktion, weil daran (wie zuletzt) entweder sowieso nur ein paar Chargen teilnehmen oder sonst genau die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie bei einer regulären Veranstaltung einzuhalten wären. Aus diesem Grund finde ich es schade, dass wir die Chance nicht genutzt haben einen halbwegs regulären Budenbetrieb mit harmlosen Vorträgen bzw. einem straffen Festakt zum Stiftungsfest aufrecht zu erhalten, solange das möglich ist bzw. war. Deshalb plädiere ich dafür, die gut gemeinten Veranstaltungsabsagen für die Zukunft nochmals zu überdenken und den Betrieb – sofern die Corona-Ampel nicht auf Rot steht – so bald als möglich wieder aufzunehmen. Schließlich wissen wir nicht, wie lange uns das Virus noch begleitet und es wäre sehr schade, wenn wir deshalb unsere Buden für immer zusperren müssten, weil unsere Mitglieder und Freunde keine Gelegenheit mehr haben einander zu treffen und dadurch das ohnedies eher geringe Interesse am Fortbestand unserer Korporationen gänzlich verloren geht.

Text: DDr.cer. Raffael

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zuletzt geändert: 31.10.2020 um 23.48 Uhr