Nummer 1/2021
Nach-Weihnachts-Depression

Normalerweise treten besonders in der (Vor)Weihnachtszeit bei einsamen oder aus anderen Gründen unglücklichen Menschen verstärkt Depressionen auf. In der gegenwärtigen Situation ist dieses Phänomen aber nach den Feiertagen oft stärker als zuvor.
Wenn gegen Jahresende die Tage kürzer und die Nächte länger werden und die trübe Stimmung noch durch anhaltenden Nebel, der auch die Tagesstunden düster erscheinen lässt, verstärkt wird, schlägt sich das bei vielen Menschen aufs Gemüt. Besonders bei jenen, die vielleicht erst kürzlich einen geliebten Menschen verloren haben, vom Partner verlassen oder arbeitslos wurden und keine Perspektive für ihre persönliche Zukunft mehr sehen. Die fröhlichen Lieder aus dem Radio oder in Geschäften tun dann ein Übriges dazu, dass sich die Unglücklichen in dieser Zeit noch schlechter fühlen. Im abgelaufenen Jahr wurde dieser Effekt durch die Auswirkungen des Corona-Virus wohl noch verstärkt. Und zu Beginn des Jahres 2021 sorgt der dritte 'Lockdown' (für die Gesamtheit der damit verbundenen Maßnahmen gibt es leider kein prägnantes, deutsches Wort) bei manchen Menschen für eine Nach-Weihnachts-Depression, weshalb wir nicht so optimistisch wie sonst in die Zukunft blicken, sondern nochmals einen Blick zurück auf das Jahr 2020 werfen.
Wirtschaftliche waren die Einschränkungen für uns als Verbindung keine Katastrophe, da unsere laufenden Kosten zu einem großen Teil durch Mitgliedsbeiträge gedeckt werden können und weil es die Möglichkeit gab, für die Fixkosten während der Schließungszeit einen Zuschuss zu beantragen, der sehr rasch ausbezahlt wurde. Aber für die Pflege der Bundesbrüderlichkeit bei gemeinsamen Veranstaltungen war es ein schwerer Schlag. Von den 22 Veranstaltungen die – abgesehen von Conventen – vom Beginn des SS im März 2020 bis zum Ende des WS 2020/21 im kommenden Februar auf der Bude geplant waren, konnten nur fünf planmäßig und eine zeitverschoben stattfinden. 14 Treffen mussten leider abgesagt werden, wovon zwei (mit mäßigem Erfolg) durch Budenabende im kleinen Kreis ersetzt wurden. Auch der als Auftakt für 2021 geplante Neujahrsempfang mit schwarz-gelben Kamingesprächen fällt leider ins Wasser. Ob die beiden letzten Termine Ende Jänner bzw. im Februar möglich sind, steht derzeit noch in den Sternen.
Die wenigen Versuche den Budenbetrieb während der Schließung in Form von Videokonferenzen nachzuahmen, waren nicht sehr zufriedenstellend. Da manche Teilnehmer noch zu wenig Übung mit diesem Medium oder technische Probleme hatten, musste ein Teil der Zeit dafür verwendet werden, die Fehler zu suchen und zu beheben. Andererseits haben Bundes- und Kartellbrüder, welche aus Entfernungsgründen nicht oder nur selten an Veranstaltungen auf der Bude teilnehmen können, bewiesen, dass gerade diese Form der Kommunikation auch eine Chance sein kann. Bei zwei der drei virtuellen Termine war mit dem hohen Bundesvorsitzenden Dr.cer. Gambrinus auch ein Bundesbruder aus Tirol vertreten. Und beim adventlichen online-Budenabend am 3.12.2020 haben sich zusätzlich sogar vier junge Kartellbrüder der Bukowina zu Czernowitz von ihrer Bude aus dazu geschaltet, unseren kleinen Test-Vorträgen gelauscht und mit bzw. für uns einen Cantus gesungen. Es hat ihnen offenbar gefallen, dass wir einander auf Distanz zutrinken konnten, da sie sich am nächsten Tag via E-Mail herzlich für die Einladung bedankt haben. Schade und deprimierend ist aber, dass offenbar nur wenige der jüngeren Bundesbrüder, die wir sonst zumindest gelegentlich auf der Bude begrüßen dürfen, Zeit oder Interesse hatten an den Video-Konferenzen teilzunehmen.
Auch das Leben in den Pfarren wurde durch die Pandemie auf eine harte Probe gestellt. Zwar sind die gesetzlichen Regelungen für religiöse Feiern mitunter etwas großzügiger als für andere Formen von Veranstaltungen, aber es war sicherlich nicht jedermanns Sache nur mit Abstand, Masken, reduziertem Gesang und ohne manche üblichen Rituale, ja teilweise sogar nur mit Voranmeldung an Gottesdiensten teilzunehmen zu können. Und gerade zu Ostern und jetzt zu Weihnachten waren die Regelungen besonders streng. Ich gebe ehrlich zu, dass ich seit vielen Jahren zum ersten Mal nicht an einer der Festmessen teilgenommen habe, obwohl ich nicht durch eine eigene Erkrankung daran gehindert war. Aber es widerstrebte mir, mich in die Gesellschaft großteils fremder Menschen zu begeben, während Treffen auf der Bude (selbst mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen) verboten gewesen sind und sogar die Weihnachtsfeiern im Familienkreis nur in stark eingeschränkter Form möglich waren, um die Ausbreitung des Virus zu vermeiden. Besonders unverständlich war für mich, dass die weitgehenden Ausgangssperren schon am 26. Dezember begonnen haben, den manche Familien traditionellerweise anstelle des 24. oder 25. für ein Familientreffen nutzen.
Wie ich bereits im Artikel 'Sperrstund' ist!' im Blech-Boten 9/2020 geäußert habe, möchte ich keinesfalls mit der Regierung tauschen, welche in dieser schwierigen Zeit auf Basis von Expertenempfehlungen eine permanente Gratwanderung zwischen Lockerungen und Einschränkungen zu bewältigen hat. Zumal die Opposition wesentlich dazu beiträgt die Bevölkerung mit widersprüchlichen Forderungen zu verunsichern, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Für manche sind die Regeln zu locker, für andere gleichzeitig zu streng. Eine angeblich unabhängige Stadtzeitung, die fallweise – vorwiegend in Vorwahlzeiten – linke Propaganda in Wiener Briefkästen verteilen lässt, verurteilt die Vorsichtsmaßnahmen als massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte und vergleicht unsere Bundesregierung gar mit dem totalitären Regime der ehemaligen DDR. In derselben Ausgabe werden durchschnittliche österreichische Besserverdiener auf die gleiche Stufe wie US-Dollar-Milliardäre gestellt und eine Reichensteuer zur Finanzierung der Corona-Krise gefordert, aber andererseits wird die Erhöhung der NoVA im Interesse des Umweltschutzes als Bruch des Wahlversprechens keine Steuern zu erhöhen verteufelt. Die Sorge, ob dieses Versprechen in Anbetracht der Unsummen an Förderungen für durch die Coronakrise betroffene Unternehmer, Arbeitnehmer sowie Arbeitslose gehalten werden kann, löst bei manchen Menschen, die das System finanzieren eine depressive Stimmung aus.
Ganz andere Sorgen und Depressionen haben hingegen die Flüchtlinge, insbesondere die minderjährigen Kinder, die sich in irgendeinem der Flüchtlingslager in der Ägais oder anderswo aufhalten und nicht weiter reisen dürfen. Obwohl Österreich laut meinen Informationen insgesamt schon weit mehr minderjährige Asylwerber aufgenommen hat als andere Länder und für deren Unterstützung in den ausländischen Lagern einen weit höheren Beitrag leistet, als der Größe unseres Landes innerhalb der EU – geschweige denn weltweit – entspricht, kritisieren nicht nur Oppositionspolitiker und vorwiegend linke Künstler, sondern auch ranghohe Vertreter der Kirche (welch seltsame Allianz), die starre Haltung des Bundeskanzlers gegen die Aufnahme weiterer Betroffener. Dabei sollte doch jedem logisch denkenden Menschen klar sein, dass auch unsere Hilfsbereitschaft irgendwo Grenzen haben muss, zumal es bei uns immer häufiger zu Unruhen und Vandalismus von angeblich den Frieden suchenden Ausländern kommt, wie zuletzt zu Silvester in Favoriten. Erfreulich und überraschend war daher die Aussage des burgenländischen SPÖ-Landeshauptmanns, welcher in einem Interview mit einer kleinformatigen Tageszeitung die konsequente Haltung der Regierung in der Flüchtlingsfrage ausdrücklich befürwortet und im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kopftuchverbots durch den VfGH ein klares Bekenntnis zu christlichen Werten und Traditionen fordert. Bleibt zu hoffen, dass er sich mit dieser Meinung auch in seiner Partei durchsetzen kann.
Die rückläufigen Zahlen der Corona-Infektionen *) infolge der Beschränkungen der letzten Monate lassen für das neue Jahr 2021 wieder etwas Hoffnung schöpfen. Sofern die gegenwärtigen Einschränkungen für die Wirtschaft und für unser Privatleben ausreichen, um einen neuerlichen Anstieg der Erkrankungen nach den kurzfristigen Lockerungen zu Weihnachten und infolge der Unvernunft mancher Menschen, die sich nicht an den Sinn der Verbote halten oder bei den erlaubten sportlichen Betätigungen, wie z.B. Skifahren, nicht auf die erforderlichen Abstände und die Maskenpflicht achten, auszugleichen, wird hoffentlich auch ohne Massentests bald eine Rückkehr zur Normalität möglich sein. Bezüglich des 'Freitestens' teile ich nämlich ausnahmsweise die Ansicht der Opposition, dass ein kollektives Testen nicht sinnvoll ist, auch wenn dadurch der Lockdown um eine Woche verlängert wird. Aber wenn die Impfungen, die medienwirksam noch kurz vor dem Jahreswechsel begonnen haben und im ersten Halbjahr großflächig verabreicht werden sollen, erfolgreich sind, besteht Hoffnung, dass die allgegenwärtige Depression einer neuen Zuversicht weicht und auch das Verbindungsleben irgendwann wieder seinen gewohnten Lauf nehmen kann.
Text: DDr.cer. Raffael

*) Die besten und aktuellsten COVID-19-Analysen erhält man übrigens auf der Homepage von ao. Univ.Prof. i.R. Dr. Erich Neuwirth, der zu meiner Studienzeit Assistent von Univ. Prof. Dr. Gerhart Bruckmann am Institut für Statistik der Universität Wien war und gemeinsam mit diesem die Wahlhochrechnungen des ORF entwickelt hat.
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 04.01.2021 um 10.50 Uhr