Nummer 3/2021
Wiener Wäschermädl

Ist ein Getränk dieses Namens in Zeiten des sensiblen Umgangs mit der deutschen Sprache und mit dem weiblichen Geschlecht wirklich angebracht?

Vor ein paar Wochen las ich in einer Zeitung, dass die Barfrau des Jahres 2020 einen Cocktail mit dem Namen 'Wiener Wäschermädl' kreiert hat. Ich war überrascht, dass ausgerechnet eine Frau im Zeitalter der Gleichberechtigung und der politischen Korrektheit ein Getränk nach einem – infolge der Erfindung der Waschmaschine ausgestorbenen – Berufsstand benennt, bei dem Frauen schlecht bezahlte Schwerarbeit für bessere Herrschaften verrichten mussten. Und ich finde die Vorstellung seltsam, dass Businessfrauen am Abend an einer Bar (falls diese wieder irgendwann geöffnet sein wird) genussvoll ein 'Wäschermädl' schlürfen und sich dabei über die bösen Männer mokieren, die ihnen zwar gerne an die Wäsche gehen, selbige aber nicht selbst waschen und bügeln wollen ...
Eine ganz andere Art von 'Wäsche' nimmt meiner Wahrnehmung zufolge stetig zu: Die feministische Gehirnwäsche. Seit Jahren teilt uns die Arbeiterkammer gegen Ende des Jahres immer wieder mit ab welchem Tag die Frauen angeblich gratis arbeiten, weil sie weniger verdienen. Zusätzlich wird zu Beginn des Jahres international ein je nach Land unterschiedlicher Tag 'gefeiert', bis zu dem Frauen rechnerisch unentgeltlich arbeiten. Abgesehen von dieser medialen Verdoppelung ein und desselben Sachverhalts wird in beiden Fällen schon Tage und Wochen davor (und manchmal, wie in diesem Beitrag auch danach) über den bevorstehenden Gedenktag berichtet und bewusst ignoriert, dass der Großteil des Unterschieds beim Durchschnittseinkommen primär auf unterschiedliche Berufe oder gar durch Teilzeitarbeit und nicht durch Diskriminierung von Frauen bedingt ist.
Eine deutsche Biologin und Feministin glaubt jetzt die Ursache für die männliche Vorherrschaft in unserer Gesellschaft entdeckt zu haben und hat darüber ein Buch geschrieben. Laut dem Buchtipp einer österreichischen Tageszeitung vertritt sie die These, dass die patriarchalische Ordnung unserer Natur widerspricht und bis zur Sesshaftwerdung der Menschen die Frauen aufgrund der Partnerwahl das Sagen hatten. Sie meint, dass die Frauen erst durch die Entstehung von Privathaushalten in die Abhängigkeit gezwungen wurden und die Ehe nur der dauerhaften sexuellen Versorgung der Männer dient. Ohne das Buch gelesen zu haben, habe ich an diesen Theorien gehörige Zweifel.
Ich interessiere mich schon seit meiner frühen Jugend für Verhaltensforschung und Anthropologie und habe früher gerne die Sendungen von bzw. mit Otto König und Konrad Lorenz angesehen. Und ich habe mir schon sehr lange Gedanken über unterschiedliche Formen des Zusammenlebens bei Mensch und Tier gemacht. Dabei habe ich gelernt, dass Monogamie nicht nur bei Schwänen und Störchen, sondern auch bei den meisten anderen Vogelarten die Regel ist, während sie bei Säugetieren die Ausnahme ist und bei Amphibien und Fischen (Ausnahme: Seepferdchen) fast gar nicht vorkommt. Bei den Vögeln ist es üblich, dass die männlichen Exemplare durch die Balz, den Nestbau oder durch Futtergaben die Gunst einer Partnerin erreichen wollen und das Weibchen die Wahl hat, wie es nach Ansicht der oben erwähnten Autorin früher auch bei den menschlichen Vorfahren gewesen sein könnte. Bei vielen Säugetieren, egal ob z.B. Hirschen oder Gorillas, tragen hingegen die Männchen untereinander Kämpfe aus und nur das stärkste Tier erobert den ganzen Harem und darf sich fortpflanzen. Herdentiere ziehen ihre Jungen, wie z.B. die erst seit kurzem so genannten 'Babyelefanten', oft in der Gruppe groß. Im Unterschied dazu sind paarweise lebende Tiere wie Vögel zumeist auf die Hilfe des Partners angewiesen, um die Eier ausbrüten und die Jungvögel füttern bzw. die Jungen großziehen zu können.
Der Primatenforscher Frans de Waal vermutet, dass die bei den Menschen vorherrschende Monogamie nicht genetisch bedingt ist, sondern aus kulturellen Gründen entstanden sein könnte, um den Zusammenhalt der Männer innerhalb der Gruppe zu stärken. Diese Theorie erscheint mir logisch, weil ein einzelnes, noch so starkes Alpha-Männchen wohl kaum eine Chance hatte seinen Harem und sein Revier zu verteidigen, sobald sich die unterlegenen Männchen organisierten und zu einer Gruppe zusammenschlossen, um ihn anzugreifen. Da war es wohl besser auch den etwas schwächeren Männchen ein Weibchen zu gönnen und dafür gemeinsam gegen rivalisierende Clans anzutreten und neue Territorien zu erobern. Abgesehen davon sprechen auch die relativ lange Zeit der Schwangerschaft und die noch viel längere Zeit bis zur Selbständigkeit des menschlichen Nachwuchses dafür, dass eine monogame Beziehung zum Schutz und im Interesse der Frauen war und nicht nur dem Vergnügen der Männer diente.
Die evolutionär bedingte Rollenaufteilung der Vergangenheit ist aber keinesfalls ein Grund Frauen in der heutigen Zeit zu benachteiligen. Im letzten Jahrhundert hat sich die Stellung der Frau zumindest in der westlichen Welt erheblich verbessert. Die Gleichberechtigung ist daher – vor allem in den Köpfen der jüngeren Generationen – längst angekommen, auch wenn sich das in der Einkommensstatistik noch nicht wiederspiegelt. Die gebetsmühlenartige Wiederholung der Forderung einer Frauenquote in Führungspositionen und dergleichen sind daher meines Erachtens kontraproduktiv und lösen eher Widerstand, als Verständnis aus. Schließlich wird ja auch keine Frauenquote bei Automechanikern, Bauarbeitern oder bei der Müllabfuhr gefordert, obwohl die dort Beschäftigten in der Regel mehr verdienen als beispielsweise Friseurinnen, Putzfrauen oder Krankenschwestern. Gleichberechtigung in der Ehe könnte besser gelebt werden, wenn diese Institution von der Gesellschaft nicht permanent abgewertet würde und Frauen, die sich selbst um das Wohl ihrer Kinder kümmern wollen, von ihren Geschlechtsgenossinnen nicht schief angesehen würden. Die oft geäußerte Forderung nach einer unentgeltlichen, täglichen Kinderbetreuung von früh am Morgen bis spät am Abend, damit Frauen leichter Karriere machen können, ist dagegen keine gute Lösung, weil noch so erfahrene Pädagoginnen eine liebevolle Familie nicht ersetzen können
Ebenso ungeeignet für eine echte Gleichberechtigung sind die unter dem Deckmantel der Frauenförderung eingeräumten, vermeintlich zustehenden Privilegien für weibliche Menschen gegenüber ihren männlichen Zeitgenossen. Wie kommen junge Männer heutzutage dazu gegenüber Frauen benachteiligt zu werden, nur weil diese den historisch bedingten Rückstand der letzten Jahrtausende in wenigen Jahren aufholen wollen? Man darf nicht vergessen, dass das Gros der in der heutigen Gesellschaft – egal ob in Politik, Kultur oder Wirtschaft – tonangebenden Menschen noch in der Zeit vor 1975 geboren wurden, als der Mann im österreichischen Familienrecht noch als traditionelles Oberhaupt galt und die Mütter noch das alte Rollenbild vorlebten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass aus dieser Zeit verhältnismäßig weniger Frauen an Führungspositionen interessiert waren bzw. sind. Und bei den nachfolgenden Generationen hat sich ohnedies schon viel bewegt, so dass es nur mehr eine Frage der (vermutlich relativ kurzen) Zeit ist, bis sich das Gleichgewicht der Geschlechter einpendelt.
Daher ist meiner Meinung nach auch die Vergewaltigung der deutschen Sprache, der sich neuerdings leider sogar der Dudenverlag angeschlossen hat, mehr als unnötig. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass jede Sprache lebt und sich daher mit der Zeit verändert. Aber bei aller Achtsamkeit teile ich nicht die Auffassung der (zum Teil auch schon männlichen) Feministinnen, dass es notwendig ist weibliche und männliche Bezeichnungen nebeneinander zu verwenden, um Frauen 'sichtbar' zu machen. Viele Wörter der deutschen Sprache beweisen, dass das grammatikalische Geschlecht nichts mit dem natürlichen Geschlecht von Lebewesen (von Sachen einmal ganz abgesehen) zu tun hat. Und warum es notwendig sein soll auf Deutsch Doppelformen zu verwenden, während auf Englisch der (männliche) Oberbegriff weiterhin als geschlechtsneutral angesehen wird, habe ich schon im Beitrag 'Land der Titel' im Blech-Boten 8/2020 kritisch hinterfragt.

Bedeutende Menschen wurden auch in früheren Epochen unabhängig von ihrem Geschlecht anerkannt und gewürdigt. Kleopatra und Maria-Theresia, Hildegard von Bingen und Madame Curie, Bertha von Suttner und Romy Schneider sind nur einige willkürlich herausgegriffene Beispiele für die Geschichte großer Töchter aus verschiedensten Bereichen und aus aller Welt. Es wäre daher nicht notwendig gewesen vor knapp 10 Jahren aus feministischen Gründen, die Urheberrechte an der österreichischen Bundeshymne zu verletzen, wenn man stattdessen die Autorin*) gebührend hervorgehoben hätte. Dass weder Hautfarbe noch Geschlecht ein Hindernis sind, um reich und berühmt zu werden, wurde durch das bei uns am Weltfrauentag ausgestrahlte Interview einer zur Prinzessin aufgestiegenen farbigen Schauspielerin mit einer afro-amerikanischen Moderatorin, welche dafür kolportierte 9 Millionen US-$ erhalten haben soll, eindrucksvoll bewiesen. Und auch in Österreich kann frau (aber nicht als Wäschermädl) bekannt und erfolgreich sein, auch wenn die Gagen hierzulande generell bescheidener ausfallen.

Text: DDr.cer. Raffael
(geschrieben am internationalen Frauentag 2021)
Bilder: WhatsApp-Memes (Urheber unbekannt)


*) Paula von Preradovic (1887 – 1951) war die Enkelin des kroatischen Nationaldichters und k.u.k. Offiziers Petar Preradovic und wuchs in Pola auf, wo ihr Vater als k.u.k. Marineoffizier stationiert war. Nach der Matura in St. Pölten wurde sie Krankenpflegerin. 1916 heiratete sie den Diplomaten und Journalisten Ernst Molden und betätigte sich als Lyrikerin und Schriftstellerin. Im 2. Weltkrieg war sie im Widerstand aktiv und geriet deshalb in Gefangenschaft. 1946 nahm sie an der Ausschreibung für den Text der neuen österreichischen Bundeshymne teil, welche im Februar 1947 offiziell beschlossen wurde.
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 02.05.2021 um 09.51 Uhr