Nummer 5/2021
Da geht einem das Geimpfte auf …

Dieser Ausspruch ist wahrscheinlich schon zu Zeiten Maria Theresias entstanden und heutzutage aktueller denn je.

Im 18. Jahrhundert wurde damit begonnen, die gefährliche Pockenkrankheit durch eine absichtlich herbeigeführte Infektion zur Immunisierung des Körpers zu bekämpfen. Damals wurde nicht mit einer Spritze geimpft, sondern die Haut aufgeritzt und ein Sekret von Patienten, die mit harmlosen Kuhpocken infizierten waren, eingebracht. Da die Impf-Narbe nicht nur bei körperlicher Anstrengung, sondern auch bei der Muskelanspannung infolge von großem Ärger aufbrechen konnte, entstand der obige Ausspruch. Auch die Bezeichnung 'Vakzin' für Impfstoffe – die bis vor einem Jahr fast ausschließlich medizinischem Personal bekannt war – hängt mit diesem Ursprung zusammen und leitet sich vom lateinischen Wort 'vacca' für Kuh ab.
Durch die Erfindung von Schutzimpfungen konnten nicht nur die Pocken, sondern auch viele andere Seuchen und Krankheiten (z.B. Cholera, Kinderlähmung) stark eingedämmt und zumindest in zivilisierten Gebieten so gut wie ausgerottet werden. Infolge der Corona-Pandemie erlebt die Geschichte des Impfens im 21. Jahrhundert jedoch einen neuen Höhepunkt. Angespornt durch den hohen Erwartungsdruck der Politik und der Bevölkerung haben die Pharmakonzerne einen Wettlauf gegen die Zeit absolviert und rasch eine ganze Reihe von Produkten auf den Markt gebracht, die uns vor der COVID-19-Erkrankung oder zumindest vor schweren Verläufen derselben schützen sollen. Und damit begann das Gerangel um die Verteilung des Impfstoffs. Nachfolgend möchte ich einige Beispiele dafür auflisten, warum einem dabei im übertragenen Sinn 'das Geimpfte aufgehen' könnte:
  • Die Probleme begannen schon bei der Bestellung der Impfstoffe. Die österreichische Regierung setzte auf eine gemeinsame Beschaffung und eine gerechte Verteilung innerhalb der EU, wurde aber von selbiger enttäuscht und von der Opposition dafür gescholten. Mit Zusatzbestellungen haben sich manche Länder höhere Quoten erkauft.
  • Obwohl auch in Österreich der Grundstoff für einen COVID-Impfstoff erzeugt wird, sind wir vom Ausland abhängig, weil – 'Dank' der Globalisierung – die Fertigstellung und Abfüllung nur in Drittländern möglich ist.
  • Die Pharma-Produzenten halten sich offenbar nicht an die vereinbarten Liefermengen und bevorzugen scheinbar gewisse Länder, die vermutlich mehr als die EU zu zahlen bereit waren.
  • Obwohl die Menschen jährlich Tonnen von Medikamenten konsumieren, welche laut Beipacktext gefährlicher als die COVID-Vakzine sein können, wird die Bevölkerung durch die sensationsgeile Medien-Berichterstattung über sehr vereinzelt auftretende schwere Nebenwirkungen so verunsichert, dass manche Impfstoffe die gekauft und geliefert wurden, von vielen Menschen abgelehnt werden.
  • Vom Nationalen Impfgremium wurden Priorisierungslisten erstellt, welche Bevölkerungsgruppen bevorzugt geschützt werden sollen. Dass alte und schwer kranke Menschen sowie Gesundheits- und Pflegepersonal, aber auch die Mitarbeiter(innen) von Kindergärten und Schulen vorrangig geimpft wurden ist verständlich. Dass man der gesamten Bevölkerung Ausgangssperren zugemutet hat und sich die Exekutiv-Organe mit Demonstranten herumschlagen mussten, die sich nicht an die Schutzmaßnahmen hielten, dafür aber die Gefängnisinsassen lange vor den Polizisten oder gar vor unter 65-jährigen Menschen drangekommen sind, schon weniger.
  • Auch die oft angeprangerte Zwei-Klassen-Medizin hat jetzt eine neue Bedeutung erhalten. Nicht diejenigen, die besonders viel in das Gesundheitssystem einzahlen wurden priorisiert, sondern Obdachlose und Asylanten, die noch keinen Cent beigetragen haben, wurden zuerst geimpft, weil man ihnen – im Unterschied zur Normalbevölkerung – in Ermangelung eigener Wohnungen offenbar auch keine Ausgangssperren zumuten wollte.
  • Im Übrigen wurden die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums auf Ebene der Bundesländer offenbar sehr unterschiedlich ausgelegt. Dem Vernehmen nach sollen im Burgenland junge Friseurinnen und Kosmetikerinnen schon vor dem Oster-Lockdown geimpft worden sein, da in ihren Beruf die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Und in Niederösterreich wurden schon Anfang Mai Termine für 30-jährige Menschen freigeschaltet, während in Wien erst die 60-jährigen Menschen dran waren.
Aber Wien ist – wie erwartet – eben anders und hinkt auch bei der Anzahl der Geimpften den anderen Bundesländern deutlich nach. Während der Gesundheitsstadtrat keine Gelegenheit auslässt, um auf vermeintliche Mängel im Bund hinzuhackern, herrscht in Wien offenbar ein totales Chaos bei der Vergabe von Impfterminen, wie ich selbst erlebt habe:
  • In der zweiten Aprilhälfte wurden Impftermine für Menschen ab Jahrgang 1956 sowie für Risikopatienten freigeschaltet und ich war froh online eine Buchung für Ende Mai vornehmen zu können. Sicherheitshalber habe ich mir sofort von meiner Hausärztin ein kostenpflichtiges Attest ausstellen lassen, in der Hoffnung vielleicht schon früher eingeladen zu werden, wenn Impfstoff übrig bleibt.
  • Zwei Tage nach meiner Anmeldung erhielt ich per Mail eine Mitteilung, dass jetzt auch Termine für meine Altersgruppe der über 63-jährigen ab Anfang Mai vergeben werden. Wie eine sofortige Überprüfung ergab, waren jedoch wieder nur Termine Ende Mai verfügbar.
  • Eine Woche später, Anfang Mai wurden dann weitere Termine für Jahrgänge ab 1961 freigeschaltet und zwar schon für den jeweils nächsten Tag. Daraufhin habe ich mich nochmals angemeldet – was problemlos möglich war ohne zuvor den späteren Impftermin zu stornieren – und prompt zwei Wochen vor der älteren Anmeldung die erste Impfung erhalten.
  • Die Ausgabe für das Attest hätte ich mir somit sparen können, zumal ich von einem Freund im Nachhinein erfuhr, dass allfällige Reste auch an jüngere Menschen verimpft wurden, die noch gar nicht an der Reihe wären, aber abends vor den Impfstellen warten, weshalb die bereits angemeldeten Personen scheinbar gar nicht kontaktiert und vorgezogen wurden.
Offenbar gibt es neben dem offiziellen Impf-Fahrplan auch noch andere Wege, da ich mittlerweile schon von vielen jüngeren Freunden und Bekannten, die nicht in kritischen Bereichen tätig sind, erfahren habe, dass sie vor mir geimpft wurden. Und so erfreulich es einerseits ist, dass auch der WStV für einige Chargen ab 16 Jahren eine Sonderregelung ausgehandelt hat, so seltsam ist es, dass selbst in den Verbindungen nicht immer nur die vorgesehenen Bundesbrüder in den Genuss einer Vorreihung kommen. Es ist gut, wenn möglichst viele Menschen so früh wie möglich einen Schutz erhalten. Aber es wundert mich nicht, dass bei manchen Personen, die noch auf ihren Impftermin warten müssen, ein gewisser Impfneid entsteht, wenn andere, die laut der Priorotätenliste nachrangig wären, schon früher die Erleichterungen für Geimpfte in Anspruch nehmen können, um z.B. beim Besuch eines Gasthauses ein frisch gezapftes Krügerl Bier zu genießen.
Und es gibt noch einen Grund, warum einem als Vereinsmitglied zur Zeit das Geimpfte aufgehen könnte: Während z.B. in Geschäften 10 bis 20 mē pro Kunden zur Verfügung stehen müssen, in Kulturbetrieben ein freier Sitzplatz zwischen Besuchergruppen genügt und im Wirtshaus zwar maximal 4 Personen pro Tisch Platz nehmen dürfen, aber sehr wohl mehrere Tische im selben Raum stehen dürfen, sind andere Zusammenkünfte, wie z.B. Veranstaltungen auf der Bude nur erlaubt, wenn daran höchstens 4 Erwachsene teilnehmen oder die Zusammenkunft bei der Bezirksverwaltungsbehörde schon eine Woche davor unter Angabe der Teilnehmerzahl angezeigt wurde. Die Anreise auf die Bude (oder zu jedem beliebigen anderen Ort) mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist jedoch ohne 3G-Nachweis für alle Personen möglich, auch wenn einem dort sehr oft nicht mehr als 0,5 mē pro Kopf zur Verfügung stehen und ein 2m-Abstand auch außerhalb der Stoßzeiten so gut wie nie eingehalten werden kann. Wie es aussieht sind aber Erleichterungen für Vereine demnächst zu erwarten.
Text und Bild: DDr.cer. Raffael

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zuletzt geändert: 06.06.2021 um 22.46 Uhr