Nummer 9/2021
Schweinerei

Weil Schweine zur Nahrungssuche oft in der Erde wühlen und sich zum Schutz ihrer Haut im Schlamm suhlen, werden sie in manchen Kulturen als unrein angesehen. Deshalb werden nicht nur grobe Verunreinigungen, sondern im übertragenen Sinn auch unzüchtige oder unmoralische Handlungen oft auch als Schweinereien bezeichnet. Aber wer bestimmt was Moral ist?

Der Begriff 'Moral' stammt vom lateinischen Wort 'mores' ab und bedeutet 'Sitten'. Es handelt sich also um Handlungsregeln bzw. Konventionen, welche in der jeweiligen Kultur bzw. Gruppe als Norm anerkannt werden. Diese Normen wurden meist auch stark von der jeweiligen Religion beeinflusst und sind nicht unveränderlich, sondern werden im Lauf der Zeit von der jeweiligen Gesellschaft an ihre aktuellen Bedürfnisse angepasst. In den letzten hundert Jahren, besonders in der Zeit ab den 60er-Jahren, hat sich das Wertesystem von allem in der westlichen Welt wesentlich rasanter verändert, als in den Jahrhunderten davor. Daraus ergibt sich, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Moralvorstellungen gibt, welche dann aufeinanderprallen, wenn sich die Kulturen im Zuge der Globalisierung vermischen.

Aber auch innerhalb einer homogenen Gesellschaft werden die Moralvorstellungen je nach Kontext differenziert betrachtet. Während die Darstellung von nackten Körpern im Rahmen der bildenden Kunst heutzutage üblicherweise anstandslos (im wahrsten Sinn des Wortes) akzeptiert und oft auch großflächig im öffentlichen Raum zur Schau gestellt wird, werden Flitzer bei Sportveranstaltungen zumeist nur zensuriert abgebildet. Sujets von leicht bekleideten Frauen auf Werbeplakaten werden als sexistisch angeprangert, während bei manchen von Frauen(!) inszenierten Tanzveranstaltungen Frauen ihre Körper ausstellen 'weil sie das so wollen' und dabei weit mehr Einblicke geben, als die Tänzerinnen in einschlägigen Pariser Varietιs. Der Gipfel der sexuellen Doppelmoral ist, dass für Ausstellungen von klassischen Meisterwerken in Wiener Museen mit angeblich großem Erfolg auf Pornoseiten geworben werden muss, weil die Abbildungen erotischer Kunstwerke in sozialen Netzwerken zensuriert werden, während andererseits echte Pornos für jedermann (und -frau) frei im Internet zugänglich sind.

Ich weiß nicht, ob Maler wie Tizian und Rubens für die ästhetische Darstellung holder Weiblichkeit in der Renaissance bzw. im Frühbarock von ihren Zeitgenossen gelobt oder kritisiert wurden. Von Egon Schiele ist hingegen bekannt, dass er wegen der unmoralischen Darstellungen seiner Aktmodelle bestraft und ein Teil seiner Werke vernichtet wurde. Jene Künstler die in den 60er-Jahren auf Einladung der sozialistischen Studenten im Rahmen der Aktion 'Kunst und Revolution' auf und in die Uni schissen (man verzeihe mir diesen Ausdruck) und dazu die österreichische Bundeshymne sangen, wurden damals für diese Aktion sowohl medial, als auch gerichtlich verurteilt. Andere Künstler(?) wurden z.B. dadurch berühmt, dass sie im Rahmen von theatralisch inszenierten Orgien Tiere schlachteten und deren Blut in blasphemischer Weise über Menschen oder später über Leinwände gossen, die sie teuer verkauften. Gemeinsam ist Ihnen, dass sie einige Jahrzehnte später trotz ihrer fragwürdigen Aktionen mit diversen Auszeichnungen für ihr Kunstschaffen überhäuft wurden. Ein ähnliches Schicksal 'erlitten' auch einige Schriftsteller und Schriftstellerinnen sowie andere Theaterschaffende, deren Werke bzw. Inszenierungen zwar vielfach als Nestbeschmutzung bezeichnet, aber von anderen dennoch bejubelt wurden, und die ebenfalls mit allerhöchsten, mitunter sogar 'noblen' Preisen geehrt wurden. Auch jetzt wird – wie ich einer Zeitungskritik entnommen habe – wieder ein Stück uraufgeführt, bei dem prominente Männer – von Jesus Christus bis zu zeitgenössischen Künstlern und Politikern – dem Titel nach wörtlich als 'Arschlöcher' bezeichnet werden, die 'abgeschlachtet' werden sollen. Künftiger Ruhm und hohe Würdigungen sind der jungen österreichischen Autorin, die ihre Werke unter anderen auch mit '…fuck you du Sau …' betitelt, damit wohl sicher.

Womit wir beim Thema der sprachlichen Moral angelangt wären. Die oben erwähnte Schriftstellerin ist etwa gleich alt wie jene grüne Politikerin, die sich gegen obszöne Beleidigungen im Internet wehrte, indem sie ihrerseits den vermeintlichen Absender in einem öffentlichen Portal als 'Arschloch' beschimpfte und wie jener Kurz-Zeit-Kanzler, der (unter anderem auf Druck obiger Klubobfrau des Koalitionspartners) zurücktreten musste, weil ihm – bislang unbewiesene – Korruption unterstellt wurde und er in privaten Chats bevor er Bundeskanzler wurde einen Parteifreund als 'alten Deppen' und 'Arsch' bezeichnet hat. Die derbe Ausdrucksweise der jungen Menschen wundert mich nicht allzu sehr, da sie alle – unabhängig vom jeweiligen Elternhaus – Kinder der linksgerichteten 68er-Generation sind, welche nicht nur für soziale Veränderungen, sondern auch für freie Liebe und Anerkennung von Minderheiten wie Homosexuelle eintraten. Daher sind sie und ihre Altersgenossen in einem antiautoritären Umfeld aufgewachsen, unter dem nicht nur die sprachliche Moral gelitten hat. Andererseits waren Fäkalausdrücke besonders bei der einfachen Bevölkerung schon immer beliebt und niemand geringerer als Johann Wolfgang von Goethe hat das 'A-Wort' im 18. Jahrhundert mit seinem Drama über Götz von Berlichingen zumindest auf Bühnen salonfähig gemacht …

Auf einem ganz anderen Blatt steht natürlich der Korruptionsvorwurf, den ich in keiner Weise selbst beurteilen kann und möchte. Dass es dabei um eine manipulierte Meinungsumfrage gehen soll wundert mich allerdings schon ein wenig, denn ich habe den subjektiven Eindruck, dass viele Umfragen und Statistiken die veröffentlicht werden, Sachverhalte bewusst verzerrt wieder geben. Man nehme nur den gerade wieder einmal aktuellen Equal Pay Day am 25. Oktober (über den Equal Pension Day habe ich bereits im Caro-As vom September 2018 einmal geschrieben). Immer werden nur die Durchschnitts-Einkommen aller Männer mit jenen aller Frauen verglichen. Ist noch nie jemand auf die Idee gekommen einmal die Durchschnitts-Einkommen aller Metallarbeiter mit jenen der Handelsangestellten oder jene der öffentlich Bediensteten mit jenen der in der Privatwirtschaft tätigen Menschen, um nur zwei Beispiele zu nennen, zu vergleichen? Man findet die Unterschiede immer nur dort wo man sucht! Ganz ähnlich ist es mit Aussagen zu unserem Steuersystem, wie ich im Beitrag 'Reicher als reich', der im Blech-Boten 4/2021 veröffentlicht wurde, ausführlich dargestellt habe. Und nicht zufällig ist aus politischen Meinungsumfragen oft herauszulesen, wer diese in Auftrag gegeben hat.

Doch zurück zum Korruptionsvorwurf. Es erscheint mir schon sehr merkwürdig, dass speziell bei Vertretern konservativer Kreise immer wieder nach – teils längst verblassten – moralischen Flecken auf der weißen Weste gesucht wird oder notfalls auch Fallen gestellt werden, damit sich die bei politischen Mitbewerbern unliebsamen Personen endlich anpatzen. Und auch wenn sich die Vorwürfe nach jahrelangen Verfahren mitunter als falsch herausstellen, wie das im Fall eines hochrangigen Polizeibeamten der Fall war, werden die Karrieren der betroffenen Personen damit gezielt zerstört. Nebenbei wird dann von der Opposition und den Medien ein Staatskrise heraufbeschworen, als würden wir in einer Bananenrepublik leben. Besser wäre es die Aufdecker würden schon im Vorhinein überlegen, ob derartige Aktionen dem internationalen Ansehen Österreichs nicht mehr schaden, als sie den Auslösern der Krise nützen. Denn wie heißt es so schön: 'Wer im Dreck der anderen wühlt, ist selbst ein Schwein.'

Text und Bild: DDr.cer. Raffael
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zuletzt geändert: 28.11.2021 um 18.35 Uhr