Nummer 10/2022
Versuche an Menschen

Kein Jux! Gedanken über naturwissenschaftliche Experimente und (un)freiwillige Versuche an Menschen zum Zweck der Forschung.

Hier denkt man sofort an verbrecherische Menschenversuche während der Nazizeit. Diese Versuche, eigentlich sadistische Machenschaften, erbrachten keinerlei verwertbare wissenschaftliche Erkenntnisse. Alle medizinischen Heilmethoden, Medikamente und die gerade in unserer Zeit wichtigen Impfungen sind ohne Datenmaterial, welches oft aus Versuchen stammt, undenkbar. Nach Computersimulationen, Versuche an Zellgeweben und Tierversuchen, müssen klinische Erfahrungen mit Menschen herangezogen werden, um die Wirksamkeit und die Verträglichkeit von Medikamenten und Behandlungsmethoden festzustellen. Hier haben Wissensfortschritte die Möglichkeiten der Akut- und Intensivmedizin so erweitert, dass neue Fragen über den Sinn, die Notwendigkeit und die Grenzen der ärztlichen Kunst gestellt werden müssen.

Naturwissenschaftliche Experimente, welche leblose Objekte betreffen, sind als sittlich neutral zu bewerten. Erst wenn fühlende Wesen in die experimentelle Forschung, wie dies in der medizinischen und pharmakologischen Forschung unumgänglich ist, einbezogen werden, ergeben sich ethische Probleme. Diese verschärfen sich dann besonders, wenn der Mensch selbst als Objekt in dieser Verwendung findet. Bei Humanexperimenten geht die Unterscheidung zwischen stellvertretendem Modell und Objekt gänzlich verloren. Auch bei Experimenten im pädagogischen Bereich wird das Leben der Kinder beeinflusst und erfordert daher besondere Umsicht und Verantwortung.

Im Falle eines Leidens an einer tödlichen Krankheit würde sich wohl jeder Patient wünschen, dass eine genügende Zahl von Freiwilligen in der Vergangenheit ausreichendes Wissen durch die Bereitstellung ihres Körpers für wissenschaftliche Zwecke ermöglicht hätten. Für Versuchspersonen gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. An das Problem der Zustimmung der Versuchsperson reihen sich noch die ebenso wichtigen Fragestellungen an, wer zur Rekrutierung legitimiert ist und wer überhaupt rekrutiert werden darf. Der Qualifizierteste zur Auswahl ist der Forscher selbst, da nur er als Einzelperson oder Mitglied eines Forschungskollektiv die wissenschaftliche Kompetenz verfügt. Allerdings besitzt er auch Parteistellung, da er nicht nur am bonum commune, sondern auch an seiner persönlichen Karriere interessiert ist. Eine Kontrolle seitens der Forschergemeinde ist daher erforderlich. Bei Selbstrekrutierung der ärztlichen Forscher fallen rechtliche und ethische Probleme weg und außerdem ist eine autonome Identifizierung des Forschungssubjekts mit dem Forschungsobjektes gegeben.

Prinzipiell werden Kranke als Versuchsobjekte abgelehnt, weil man ihnen zusätzlich zu ihrer Behandlung nicht noch weitere Lasten und Risken zumuten kann. Da es aber gerade das Ziel der medizinischen Forschung ist die Krankheit zu besiegen, sind verifizierende Versuche an Patienten, die eben an dieser Krankheit leiden, unumgänglich notwendig. Hierbei wird das Arzt – Patienten – Verhältnis besonders berührt. Im Verlauf einer Behandlung ist der Arzt nur dem Patienten verpflichtet. Es ist ein fundamentales Privileg des Kranken, dass für den Arzt bei der Behandlung keinerlei Verpflichtung gegenüber anderen Personen, etwa Angehörigen, oder Institutionen, wie etwa Krankenversicherungen oder Pharmaherstellern, besteht. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt nur die Isolierung Erkrankter im Falle einer gefährlichen, ansteckenden Erkrankung in Interesse der Gesellschaft. Besonders moralisch bedenklich sind Placebo Versuche, denn sie sind für die Verifizierung von erfolgreichen Behandlungsmetoden unumgänglich, bedeuten jedoch einen Treuebruch. Sie können die Basis des Arzt- Patientenverhältnis infrage stellen, da der Patient im guten Glauben gehalten ist, nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt zu werden.

Bei der Rekrutierung sollte die Identifizierung (Mitwirkung) der Versuchspersonen mit dem Forschungsziel als Ausleseprinzip berücksichtigt werden. Finanziell Bedürftige, von ihren Professoren abhängige Studenten ferner Gefängnisinsassen gelten daher als problematisch. Es handelt sich hier um eine moralische Zwielichtzone. Absolute Finsternis herrschte während der nationalsozialistischen Diktatur. Statt Versuche mit Laborratten und Meerschweinchen wurde den SS-Ärzten KZ-Häftlinge, meist jüdischer Herkunft, sowie Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt. Diesen Forschern, es fällt schwer diese als solche zu bezeichnen, war alles erlaubt. Der Tod ihrer Opfer wurde bewusst herbeigeführt. Wirklich erkrankten Lagerinsassen wird kaum medizinische Behandlung zuteil.

Eine besonders grausame Ausbildung wurde aus dem KZ Dachau bekannt. Bei dem dortigen Lehrbetrieb für SS - Ärzte konnte diese an Häftlingen Operationen erproben, auch solche die medizinisch nicht geboten waren. Es wurden Amputationen von gesunden Gliedmaßen bekannt. Über die 'Experimente' der Historiker Wolfgang Benz im Deutschlandfunk: 'Diese Experimente waren per saldo sadistische Spielereien. Die schrecklichsten Versuche, die Unterkühlungsversuche, es kann keinen Sinn haben, Menschen mithilfe von Eiswasser so stark zu unterkühlen, um hinterher festzustellen, dass sie sterben müssen.'

Im Nürnberger Ärzteprozess (9. Dezember 1946 - 20. August 1957) mussten sich 20 KZ-Ärzte verantworte. Sieben Angeklagte wurden zu Tode verurteilt. Weiter 5 zu lebenslanger Haft. Vier erhielten Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren. Sieben Angeklagte wurden schließlich freigesprochen. Die Todesurteile wurden am 2. Juni 1948 vollstreckt. Die verhängten Haftstrafen wurden später abgemildert. Ein wichtiges Ergebnis des Prozesses war der 'Nürnberger Kodex'. In 10 Geboten bestimmte der Amerikanische Militärgerichtshof die Grundsätze für medizinische Versuche mit Menschen, welche hauptsächlich die Freiwilligkeit der Probanden betreffen. Corona-Impfgegner berufen sich darauf, dass Coronaimpfstoffe mit dieser Regelung nicht vereinbar wären. Beweise konnten sie dafür nicht vorlegen.
Text: AH Jux
Quellen: Eigene Diplomarbeit, Studien-Mitschriften, Deutschlandfunk.
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zuletzt geändert: 30.11.2022 um 20.11 Uhr