Nummer 8/2023
Treff‘ ma uns in da Mitt‘n …

Die Mitte ist ein stark strapazierter Begriff mit – je nach Zusammenhang – sehr vielen unterschiedlichen Definitionen und Bedeutungen. Einige davon wollen wir im folgenden Text beleuchten.

Unser Mittelpunkt ist schwarz – gold – blau!

Als 'Katholisch Österreichische Mittelschul-Landsmannschaft Tegetthoff' tragen wir die Mitte im vollständig ausgeschriebenen bzw. ausgesprochenen Namen unserer Korporation und gehören einem Verband an, dessen Name dieses Wort ebenfalls beinhaltet. Wobei die Bezeichnung 'Mittelschüler-Kartell-Verband' eigentlich gar nicht mehr zeitgemäß ist und streng genommen auch früher nicht gestimmt hat. Als (neue) Mittelschule wird nämlich heutzutage die Pflichtschule für die 10- bis 14-jährigen bezeichnet, welche die frühere Hauptschule ersetzt. Deren Schüler sind aber nicht unsere Zielgruppe, sondern vielmehr jene der Oberstufe einer AHS oder BHS, welche die Matura anstreben. Diese Gymnasien wurden früher als Mitte zwischen Pflichtschule und Hochschule angesehen, während die heutige, nach unten nivellierte Mittelschule, nur mehr die Mitte zwischen Volksschule und zur Matura führenden Schulen darstellt. Dessen ungeachtet sind und waren seit jeher auch bei einer gut funktionierenden Korporation mit einer starken Aktivitas die Schüler stets deutlich in der Minderzahl, da aufgrund des Prinzips der Lebensfreundschaft die Zeit, die man als Alter Herr bei der Verbindung verbringt, gegenüber der relativ kurzen Phase der Schulzeit bei weiten überwiegt. Deshalb wäre für den Verband die Bezeichnung 'Maturanten-Kartell-Verband' wesentlich zutreffender.

Doch komme ich nun zurück zum eigentlichen Thema 'Mitte'. In der Mathematik gibt es neben dem arithmetischen Mittel z.B. auch einen geometrischen Mittelwert, in der Statistik unterscheidet man zwischen dem Mittelwert und dem Median und auch bei geometrischen Figuren oder Körpern lässt sich ein exakter Mittelpunkt berechnen. In der Geographie ist das anders. In der österreichischen Bundeshymne heißt es: ' … heiß umfehdet, wild umstritten, liegst dem Erdteil du inmitten …'. Das stimmt aber nicht, auch wenn es in Liesing ein Gasthaus 'Zum Mittelpunkt der Welt' gibt. Geht es nach der Zahl der Zuwanderer, für die Österreich als erstes sicheres Asylland in Europa gilt, müssten wir an der Ostgrenze der EU liegen. Der geographische Mittelpunkt liegt laut Wikipedia aber viel weiter im Osten bzw. Norden, wobei es auf die Definition der Grenze von Europa ankommt, weshalb es verschiedene Orte gibt, welche diese Eigenschaft für sich beanspruchen. Zu Zeiten der Monarchie lag der Mittelpunkt Europas tatsächlich noch innerhalb Österreichs. Damals haben Geographen Plätze in Tschechien und in der Ukraine als angeblichen Mittelpunkt errechnet. Nach neueren Berechnungen liegt der geographische Mittelpunkt Europas eher im Baltikum und jener der EU vermutlich in Deutschland. Der Mittelpunkt der Erdoberfläche liegt laut Internet in der Türkei, im Unterschied zum geometrischen Mittelpunkt im Erdkern, zu dem die Romanfiguren von Jules Verne reisen.

Der Mittelpunkt des couleurstudentischen Lebens sollte die Bude sein. Deshalb wurde in den letzten Semestern eifrig darüber diskutiert, ob wir uns die große Tegetthoffbude noch leisten können und wollen und es hatte den Anschein, als ob das Interesse daran groß wäre. Zum einen hat sich durch diverse Unterstützungen die finanzielle Lage etwas entspannt und zum anderen hatten wir in den letzten Monaten einen Besucherzuwachs bei unseren Veranstaltungen von durchschnittlich rund 50%, wofür sich die Anstrengungen der Chargen um den Fortbestand der Korporation durchaus lohnen. Mit Beginn des Wintersemesters scheint diese Euphorie jedoch wieder verflogen zu sein. Schon die Antrittskneipe war nicht übermäßig gut besucht und zum WA von Bb Dante mit dem Thema 'Die bürgerliche Mitte' am Mittwoch den 11.10.2023 sind leider auch nicht mehr Teilnehmer erschienen. Das lag teilweise daran, dass sich drei potentielle Teilnehmer aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen mussten und zwei aus beruflichen Gründen nicht kommen konnten bzw. sich gleich nach der Begrüßung wieder verabschiedet haben. Der qualitativ hochwertige Vortrag, den Dante auch schon in Kärnten vor einer wesentlich größeren Corona präsentiert hat, hätte jedenfalls mehr Besucher verdient - aber offenbar hat sich das Bibelzitat bewahrheitet, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt. Bb Dante hat Philosophie und Psychologie studiert und ist als Forscher und Hauptlehroffizier am Institut für Human- und Sozialwissenschaften an der Landesverteidigungs-Akademie tätig. Er hat sehr anschaulich dargelegt, wovon sich die Bürger von anderen Teilen der Gesellschaft unterscheiden, und dass es aus politisch-philosophischer Sicht keine exakt definierbare Mitte gibt, sondern sich diese je nach sozialer Schicht und Grundorientierung aus mehreren teils überschneidenden Gruppen zusammensetzt. Eine genaue schriftliche Abhandlung über dieses Thema ist zum Nachlesen, für alle die den Vortrag versäumt haben oder die sich nochmals in diese Materie vertiefen wollen, im anschließenden Beitrag über 'Die bürgerliche Mitte' zu finden. Die anwesenden Bundesbrüder haben seinen Ausführungen sehr interessiert gelauscht und im Anschluss daran noch gemeinsam darüber diskutiert, bevor der Abend nach einem kurzen gemütlichen Beisammensein zu Ende ging.

Ich hoffe, dass unsere Bude – auch wenn sie nicht den geographischen Mittelpunkt der Wohnsitze unserer verstreut lebenden Bundesbrüder darstellt – weiterhin als couleurstudentische Mitte angesehen und von möglichst vielen Mitgliedern gerne als Treffpunkt frequentiert wird. Denn nur in persönlichen Gesprächen können Ideen für die Zukunft entwickelt und verschiedene Ansichten ausdiskutiert werden, damit wir einander innerhalb der Bandbreite unserer Prinzipien zu einer gemeinsamen ideellen Mitte treffen können, die wir für das immer näher kommende 100. Stiftungsfest und die Zeit danach dringend brauchen.
Text und Bild: DDr.cer. Raffael
Kontakt für allfällige Rückmeldungen:
blech-bote@aon.at

zuletzt geändert: 28.10.2023 um 21.36 Uhr